Skip to main content
Advertising

 Dieser Spielzug war der Startschuss zur Steelers-Dynastie

Die Pittsburgh Steelers standen mit dem Rücken zur Wand. 22 Sekunden vor Ende des Playoff-Spiels gegen die Oakland Raiders am 23. Dezember 1972 lagen sie mit einem Punkt hinten. Ihnen blieb beim vierten Versuch diese eine letzte Chance, um doch noch die Wende zu schaffen. Dann passierte das:

Wer die spektakulären Catches und Hits in der heutigen NFL kennt, eingefangen mit hochauflösenden Hightech-Kameras, mag sich vielleicht wundern, warum gerade diese Szene vor ein paar Jahren zum besten NFL-Spielzug aller Zeiten gewählt wurde. Ein Touchdown, der mit einer gehörigen Portion Glück entstand, festgehalten mit riesigen Kameras, die unschärfere Bilder produzieren als jedes noch so kleine Smartphone heute.

1_Screenshot

Nur der genauere Blick lässt verstehen, warum der Spielzug Kultstatus erlangt hat, denn die Aufnahmen von damals lassen keinen Schluss darüber zu, was genau da im Dezember '72 passierte.

Fassen wir zunächst kurz zusammen, was wir wissen: Trotz massiver Bedrängnis konnte Steelers-Quarterback Terry Bradshaw den Ball in die Richtung seines Running Backs John Fuqua werfen. Exakt in dem Augenblick, als dieser den Pass fangen wollte, kollidierte er mit Raiders-Safety Jack Tatum. Der Football wurde in die Luft geschleudert und segelte nach rechts aus dem Fernsehbild hinaus.

Die Steelers-Fans an den TV-Geräten hatten sich wohl schon mit der Niederlage ihres Teams abgefunden, als plötzlich von rechts Running Back Franco Harris ins Bild zurück gestürmt kam – mit dem Ball in seinen Händen. Er kannte nur ein Ziel: die Raiders-Endzone. Auf dem Weg zum spielentscheidenden Touchdown konnte ihn kein Gegenspieler stoppen.

Francos Harris und der makellose Catch

Was folgte, war pure Freude. Zahlreiche Fans stürmten den Platz und feierten den knappen 13:7-Erfolg zusammen mit den überwältigten Spielern.

Obwohl damals wie heute nicht geklärt ist, wie der Ball in die Hände von Fullback Franco Harris gelangte, hat dieses Spiel absoluten Legendenstatus. Oder vielleicht gerade deswegen?

Pittsburgh Steelers legend Franco Harris poses for a photo Wednesday, Nov. 30, 2022 in Pittsburgh, PA. (Karl Roser / Pittsburgh Steelers)

Der Spitzname "Immaculate Reception" (zu Deutsch: "unbefleckte Empfängnis") soll von Steelers-Fan Michael Ord stammen. Für Ord waren die Steelers genauso unverhofft zum Sieg gekommen wie die Jungfrau Maria zum Kind. Der damalige Radio-Kommentator der Steelers, Myron Cope, fand die Idee offensichtlich so gut, dass er den Namen fortan in seiner Sendung benutzte.

Touchdown-Held Franco Harris wurden über die Jahre mehrere Denkmäler gesetzt. Das bekannteste steht in der Flughafenhalle Pittsburghs und empfängt dort alle Besucher der Stadt. Ein weiteres würdigt ihn außerhalb des Stadions an exakt dem Ort, wo er den Ball am 23. Dezember 1972 fing. Denn das altehrwürdige Three Rivers Stadium wurde 2001 abgerissen und durch das heutige Acrisure Stadium ersetzt.

Pittsburgh Steelers Franco Harris (right) with Lynn Swann at Harris's induction into the Pro Football Hall of Fame on August 4, 1990 in Canton, Ohio.  (AP Photo / Al Messerschmidt)

Die NFL hat Harris 1990 in die Pro Football Hall of Fame aufgenommen. Und die Steelers wollten die Trikotnummer 32 von Franco Harris zum 50. Jahrestag der Immaculate Reception – natürlich bei einem Heimspiel am 24. Dezember 2022 gegen die Raiders, den Rivalen von damals – in den Ruhestand schicken. Eine besondere Ehrung für einen besonderen Menschen.

Es sollte eine feierliche Zeremonie im Beisein von Harris und vieler seiner damaligen Kollegen werden. Doch dann kam alles anders. Franco Harris verstarb überraschend in der Nacht auf den 21. Dezember 2022 im Alter von 72 Jahren, nur wenige Tage vor dem großen Jubiläum.

Fans attend a public viewing for Franco Harris, Tuesday, Dec. 27, 2022 in Pittsburgh, PA. (Karl Roser / Pittsburgh Steelers)

Der Mann, der mit seinem unverhofften Touchdown den Mythos Immaculate Reception erschuf, hinterlässt eine riesige Lücke. In NFL-Kreisen war Franco Harris unglaublich beliebt. Sein Einfluss auf die Steelers, seine Mitspieler, die Stadt Pittsburgh und die Steelers Nation lässt sich kaum in Worte fassen.

"Franco war das Herz und die Seele unseres Teams", sagte sein ehemaliger Mitspieler und Hall-of-Fame-Kollege Joe Greene. "Als Franco hier ankam, wurden wir die Pittsburgh Steelers. Franco holte die Steelers aus der Dunkelheit."

1972 als Erstrundenpick in die Liga gekommen, fand Franco Harris bald einen Weg, sein Team zu tragen. Über 1.000 Rushing Yards und zehn Touchdowns in seiner ersten Saison waren nur ein Vorgeschmack dessen, was der junge Running Back seinem Team bringen würde. Er sorgte als Rookie für die Immaculate Reception, den besten Spielzug der NFL-Geschichte. Er wurde MVP im Super Bowl IX, dem ersten der Franchise-Geschichte. Er leistete mit 17 Touchdowns in 17 Playoff-Spielen einen enormen Beitrag zu den vier Super-Bowl-Titeln der Steelers in den 1970ern. Kurzum: Franco Harris war ein großartiger Footballspieler. Aber er war ein noch besserer Mensch.

Vielleicht genügt am Ende die Tatsache, dass gleich zwei US-Präsidenten sich zur Todesnachricht äußerten – Barack Obama und Joe Biden –, um zu verstehen, wie viele Menschen auf dieser Welt Franco Harris berührte. Er gab so viel und wollte dafür nie etwas zurück. Er unterstützte aktuelle Spieler auf ihrem Weg in den Profifootball, tauchte bei jeder Charity-Veranstaltung auf, sorgte sich liebevoll um seine ehemaligen Mitspieler. All das und noch viel mehr tat er stets mit einem Lächeln, mit einer immer positiven Einstellung.

Und: Franco Harris – so oft man ihn auch über die Immaculate Reception ausfragte – wurde nicht müde, über den Moment zu sprechen, der ihn zur Legende machte.

Der Mythos lebt weiter

Auch heute noch erfreut sich die Immaculate Reception bei Spielern, Fans und Medien großer Faszination. Weil die damalige TV-Übertragung nie wirklich auflösen konnte, was wirklich auf dem Platz passiert war, gibt es seit diesem Tag jede Menge Diskussionsstoff – bis hin zu Verschwörungstheorien, die sich in Raiders-Kreisen hartnäckig halten. Diesen Theorien widmet sich die neue Folge vom deutschen Steelers-Podcast "Männer aus Stahl":

Während die Steelers von einem Wunder sprechen, ist der Spielzug bei den Raiders als größte Täuschung ("Immaculate Deception") der NFL-Geschichte verschrien.

  • Bis heute ist ungeklärt, ob der Ball von einem Steelers- oder einem Raiders-Spieler abprallte und ob er danach den Boden berührte oder nicht. Wäre der Pass von einem Steeler berührt worden, bevor Franco Harris ihn fing, wäre der Catch nach damaligem Regelwerk irregulär gewesen.
  • Auch bei einer Bodenberührung hätte der Touchdown nicht zählen dürfen. Beides lässt sich anhand der Bilder nicht eindeutig feststellen. Und die Beteiligten können oder wollen sich nicht erinnern.
  • Raiders-Verteidiger Phil Villapiano behauptete nach dem Spiel außerdem, dass er durch ein illegales Tackling daran gehindert worden wäre, Franco Harris aufzuhalten.
  • Und wegen des Platzsturm-Chaos nach Spielende wurde den damaligen Schiedsrichtern Befangenheit unterstellt. Eine Theorie: Die Referees hatten angeblich Angst, den Touchdown abzuerkennen, weil sie dann der wütenden Meute an Steelers-Fans auf dem Platz ausgesetzt gewesen wären. Aber auch das konnte nie bewiesen werden.

Der Start der erfolgreichsten Steelers-Ära

Die Steelers schieden nach dem Playoff-Wunder gegen die Raiders 1972 zwar in der nächsten Runde aus. Trotzdem hatte der Erfolg eine wahnsinnige Signalwirkung für das bis dato erfolglose NFL-Team: Wir können auch die ganz Großen schlagen.

Die Immaculate Reception war der Wendepunkt. Unter Head Coach Chuck Noll gewannen die Steelers anschließend zwischen 1974 und 1979 vier Super Bowls innerhalb von sechs Jahren.

Pittsburgh Steelers legend Franco Harris poses for a photo Wednesday, Nov. 30, 2022 in Pittsburgh, PA. (Karl Roser / Pittsburgh Steelers)

Die Super-Bowl-Ära der 1970er Jahre wurde geprägt von zahlreichen Steelers-Legenden wie Quarterback Terry Bradshaw oder Defensive Tackle "Mean" Joe Greene. Greene wurde 1987 in die Pro Football Hall of Fame aufgenommen. Seit 2014 vergeben die Steelers sein Trikot mit der Nummer 75 nicht mehr neu. Neben dem in Deutschland geborenen Defensive Tackle Ernie Stautner (Trikotnummer 70) war Greene bislang der einzige Spieler, den die Steelers so geehrt haben. Bis Ende Dezember 2022.

Für weitere Artikel auf Deutsch rund um dein Lieblingsteam besuche bitte unsere Landing Page unter https://www.steelers.com/deutschland/.

Related Content

Advertising