Wird er der nächste deutsche Steelers-Star? Steelers-Linebacker Julius Welschof ist einer von acht deutschen Spielern in der NFL – aber sein Werdegang ist einzigartig. Der 27-Jährige hat einen beeindruckenden Weg in die NFL hinter sich.
Wie ein Probetraining im Schnee bei Minusgraden ihm den Weg in den Profifootball geebnet hat, erfährst du hier.
Amerika-Austausch als Grundstein
Welschof wuchs im bayerischen Miesbach am Alpenrand auf. Nachdem er die Realschule in Altötting erfolgreich abgeschlossen hatte, war er 2013 per Austausch bei einer Gastfamilie in Florida. Dort kam Welschof das erste Mal in Kontakt mit American Football. Nach einem Trainingsbesuch bei den Jacksonville Jaguars und intensiven Gesprächen mit seinem Gastvater, der ihn ermutigt hatte, American Football auszuprobieren, fasste Welschof mit damals 16 Jahren den Entschluss, selbst American Football zu spielen.
"Wenn man zurückblickt, als ich das erste Mal vor zehn Jahren in den USA war und wie schnell die Zeit jetzt vergangen ist – es ist definitiv eine Zeit, die ich nicht missen möchte. Das ist bislang die beste Zeit meines Lebens", fasst Welschof seinen Werdegang zusammen.
Zurück in Deutschland schloss sich Welschof zunächst den Rosenheim Rebels an, ehe der Miesbacher zu den Munich Cowboys wechselte, für die er als Tight End Pässe fing, blockte und für seine Leistungen ausgezeichnet wurde. Weil er Größe, Masse und Athletik mitbrachte, stand er bald auch als Quarterback-Jäger auf dem Feld – und merkte: Dieser Sport und diese Position liegen mir.
Nach vier Jahren in Rosenheim und München wollte Welschof den nächsten Schritt wagen – in den USA, mit Hilfe eines Sportstipendiums. Dafür kontaktierte er den ehemaligen Footballspieler Brandon Collier, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, europäischen Spielern eine Chance im College Football zu verschaffen. Collier konnte es kaum glauben: ein 1,93-Meter-Riese, der schneller sprintet als viele kleinere, leichtere Spieler. Welschof wollte es ihm beweisen – bei einem Tryout unter widrigsten Bedingungen. Sechs stunden führ er von Bayern nach Frakfurt, um im Schnee und bei Minusgraden um seine Chance zu rennen. Talentförderer Collier war beeindruckt und half ihm fortan auf dem Weg zur Footballkarriere.
Von den Cowboys zu den Wolverines
Seine harte Arbeit zahlte sich aus: Verschiedene College-Mannschaften wurden auf Welschof aufmerksam, sodass er ab 2018 für die Wolverines an der University of Michigan spielen sollte. Einer seiner Mitspieler und besten Freunde zu der Zeit war Aidan Hutchinson, der 2022 an zweiter Position im NFL Draft von den Detroit Lions ausgewählt wurde: "Wir kennen uns sehr gut und haben zusammen in einer Zweier-WG gewohnt. Aidan war schon immer einer der Ehrgeizigsten im Team und hasst es zu verlieren. Damit hat er alle gewissermaßen angesteckt, auch das Beste aus sich rauszuholen."
Bei den Michigan Wolverines spielte Welshof fünf Jahre lang. Während dieser Zeit kam er in 35 Spielen zum Einsatz, in denen ihm 25 Tackles gelangen. Um mehr Spielpraxis zu bekommen, wechselte Welshof 2023 zu den 49ers von der University of North Carolina in Charlotte. Grund dafür war ein neues Trainerteam in Michigan: "Ich habe frühzeitig gemerkt, dass das neue Trainerteam nicht so sehr mit mir plant, weshalb ich mich für einen Wechsel entschieden habe. Ich wollte mehr spielen und mich zeigen."
Nachdem sich Welschof bei den 49ers einen Stammplatz erarbeitet hatte, verletzte sich der Verteidiger im zweiten Spiel an der Schulter. Nach zwei weiteren Partien und einem harten Tackling stellte sich bei näheren Untersuchungen heraus, dass sich Welschof das Schulterblatt angebrochen hatte. Damit war die Saison für den Deutschen frühzeitig beendet. Trotzdem kam er nach Charlotte zurück, um sich bei einem Probetraining den NFL-Scouts zu empfehlen und den Sprung zu den Profis zu schaffen.
Als Undrafted Free Agent zu den Steelers
Doch während des NFL Draft wartete Welschof vergebens auf den Anruf eines Teams. Nichtsdestotrotz hatte der gebürtige Miesbacher am Ende einen Grund zur Freude. Die Pittsburgh Steelers nahmen den Undrafted Free Agent unter Vertrag und das obwohl auch andere Teams, wie beispielsweise die New England Patriots und die Detroit Lions, sich nach dem Deutschen erkundigt hatten. "Die Steelers haben sich sehr um mich bemüht. Da hat man gemerkt, dass sie mich wirklich wollten und ich keine Notlösung bin", erklärte Welschof. Head Coach Mike Tomlin höchstpersönlich hatte um den Deutschen geworben.
Bei den Steelers kämpft Welschof seit einigen Wochen um einen Platz im Kader, der zeitnah auf seine finale Größe von 53 Spielern gekürzt wird. Mit 27 Jahren ist Welschof für einen Rookie vergleichsweise deutlich älter – normalerweise kommen die Rookies mit Anfang 20 in die NFL. Aber Welschofs Alter bremst seine Chancen bei den Steelers überhaupt nicht. Gerade sein Ehrgeiz und sein Fleiß werden von den Coaches sehr geschätzt.
Steelers Outside Linebacker Coach Denzel Martin erklärte jüngst: "Die Arbeit mit Julius macht viel Spaß. Er sitzt frühmorgens in meinem Büro und versucht, alles aus dieser Erfahrung herauszuholen. Er nimmt es sehr ernst und es macht so viel Spaß, einen solchen Typen zu coachen. Er setzt die Dinge um, die wir von ihm verlangen."
Highsmith als Förderer, Watt als Vorbild
Alex Highsmith erwies sich direkt zu Beginn als wichtige Bezugsperson für den 27-Jährigen. "Alex hat vor mir in Charlotte gespielt, deshalb ist er gleich, als er mich gesehen hat, zu mir hin und hat sich vorgestellt", sagt Welschof über seinen Defensiv-Kollegen. "Er hat mich unter seine Fittiche genommen. Alex hilft mir viel im Training und auch im Anschluss daran."
Neben Highsmith, der in der vergangenen Saison mit 57 Tackles, sieben Sacks, zwei Forced Fumbles und zwei Interceptions wohl seine beste Saison in der NFL gespielt hat, steht mit T.J. Watt einer der besten Verteidiger ligaweit im Kader der Steelers. Alleine in der vergangenen Spielzeit legte er mit 68 Tackles, 19 Sacks, vier Forced Fumbles und einer Interception herausragende Zahlen auf. Insgesamt kommt Watt in seinen sieben Jahren NFL auf gigantische 96,5 Sacks, 27 Forced Fumbles und sieben Interceptions und dürfte Welschof dadurch als bestes Vorbild dienen.
Erster Sack im zweiten Spiel
Dass Welschof alles gibt, hat er bereits im zweiten Preseason-Spiel der Steelers unter Beweis gestellt, als er seinen ersten Sack in der NFL verbuchen konnte. Aber auch über das Special Team erhofft sich Welschof, den Sprung in den Kader zu schaffen: "Das wird ein großer Fokus von mir sein, Special Teams auf jeder Position spielen zu können, um es dann eventuell in den aktiven Kader zu schaffen. Special Teams ist etwas, das am Ende ausschlaggebend sein kann."
Schon jetzt hat Julius Welschof Geschichte geschrieben, als zweiter Deutscher bei den Pittsburgh Steelers. Der erste – das dürfte extra Motivation sein – war einst der legendäre Ernie Stautner, der erste und einzige in Deutschland geborene Pro Football Hall of Famer.
Und selbst wenn der Linebacker es am Ende nicht in den 53-Mann-Kader der Steelers schaffen sollte, der Traum von der NFL-Karriere lebt für Welschof weiter. Jedes NFL-Team hat einen zusätzlichen Kaderplatz für einen Profi verfügbar, der nicht aus den USA kommt. "Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass deshalb ein bisschen Druck weg ist, aber es ist schon ein großer Vorteil mit diesem Extra-Spot im Practice Squad", ordnet Welschof selbst seine Situation ein.
Es wäre nur ein kleiner Rückschlag für den 27-jährigen Späteinsteiger, der auf seinem unglaublichen Weg in die NFL schon große Hindernisse aus dem Weg geräumt hat – damit er eines Tages für die Steelers gegnerische Quarterbacks aus dem Weg räumen darf.
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